Gość: Pippi
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16.11.04, 08:20
Ich denke oft an meine Mutter.
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An jedem Morgen stand meine Mutter am Fenster und wartete bis ich vorbeikam.
Sie stand wohl oft lange da und wandte kein Auge von der Straße weg, um mich
nur ja nicht zu verpassen. Wenn sie mich dann endlich erblickte, klpofte sie
an die Fensterscheibe und winkte mit der Hand. Ich winkte zurück, ging aber
weiter, denn die Zeit drängte immer so. Die Mutter aber hatte immer wieder
den Wunsch, daß ich ein wenig verweile und zu ihr in die Stube trete, wo sie
meist auch einen guten Bissen bereithielt, um mich damit zu erfreuen. Aber
ich hatte eben stets so wenig Zeit, wie jeder heutzutage. Natürlich hätte ich
sie mir nehmen können, aber die anderen Dingen schienen mir ebenso wichtiger.
Außerdem dachte ich, daß sich ein andermal Gelegenheit geben werde, bei der
Mutter einen Besuch zu machen.
Die Mutter war wohl weiser als ich, sie wußte, was die Zeit ist, was sie
bringt und was sie nimmt.
Nun wartet sie schon lange nicht mehr auf mich. Aber wenn ich jetzt an einem
Fenster vorbeigehe, denke ich oft, ach stünde doch meine Mutter dahinter, ich
wollte mir Zeit nehmen und zu ihr hineingehen, auch wenn ich noch so wenig
Zeit hätte. Doch, es klpoft nicht mehr, es winkt nicht mehr, es ist still um
mich geworden.
Jetzt ist das Warten an mir. Ich warte umsonst. Es gibt nirgends auf der Welt
diese schöne Geborgenheit mehr, die bei der Mutter war. Aber erst wenn man
sie verloren hat, weiß man das.
Die Zeit aber, von der man sich immer so drängen läßt? Alles, was mich damals
so zur Eeile trieb, ist längst nichtig geworden. Es war im Grunde auch damals
schon im Vergleich zu dem, was hinter dem Fenster auf mich wartete, aber ich
war eben noch zu jung, um es zu erkennen. Eine Stunde bei meiner Mutter wäre
gewiß mehr gewesen als diese ganze Geschäftigkeit.
Ja, eine Mutter wartet nicht ewig am Fenster.
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